Sidler, Fritz und seine Modelle von Arnold Wirz
Vorgeschichte
Zu meiner Sammlung alter Segelflugmodelle und Wurfgleiter gehörten viele Jahre lang 19 Modelle, die von Fritz Sidler stammen. Es sind dies:
- 12 Cesis aus den Jahren 1956 bis 1978
- 5 Piccolos von 1956 bis 1960
- 2 Bye-Byes von 1977 und 1988
8 Bausätze des Cesis befinden sich noch in der weissen Bautasche, wie sie für Schulen üblich waren. Das heisst: Rund ein Drittel meiner 56 antiken Segelflugmodelle stammen von diesem Konstrukteur. Daher wollte ich über Fritz Sidler etwas mehr in Erfahrung bringen, zumal mir seine Modelle zumindest teilweise schon ab 1960 bekannt waren.
Obwohl ich seit vielen Jahren versuche, Hinweise zu Fritz Sidlers Modellbau-Aktivitäten und zu seinen Flugmodellen zu finden, komme ich nur schrittweise zu den gesuchten Informationen. Daher publiziere ich hier alles, was ich bisher zusammengetragen habe und was mir gemeldet wurde, verbunden mit der Hoffnung, dass ein Leser zufällig darauf stösst, der noch mehr weiss und sich meldet. Vor allem dann, wenn er noch einige alte Streil-Kataloge besitzt, wo man auf alle Sidler-Modelle Zugriff hätte. Da Fritz Sidlers Modellflugaktivitäten inzwischen rund 40 bis 60 Jahre zurück liegen, kommen dafür wohl nur noch Senioren, die seine Modelle bauten, alte Weggefährten von ihm, Schüler seiner Baukurse sowie Sammler antiker Flugmodelle infrage.
Modellfluggruppe Baden
Die Modellfluggruppe Wettingen hiess ursprünglich Modellfluggruppe Baden. Nachdem dank Fritz Sidler das Baulokal im Schulhaus Altenburg zustande kam, wurde der Verein in Modellfluggruppe Wettingen umbenannt. Das deutet an, dass er in diesem Verein einen namhaften Einfluss besass. Die Umbenennung erfolgte vermutlich bald nach 1960. Diese Jahreszahl ergibt sich aus der Foto (ganz oben) von Rolf Girsberger, aufgenommen am 23.1.1960. Zu diesem Zeitpunkt nannte sich der Verein noch Modellfluggruppe Baden. Bestätigt wird dies indirekt, als auf der Foto einige Modelle mit dem Kürzel BA und einer fortlaufenden Nummer gekennzeichnet waren: Es war damals für alle Modellfluggruppen des Aero-Clubs eine Regel, die Modelle zu immatrikulieren. Für Fritz Sidler lautete diese Nummer BA 6. Flog ein Modellbauer mehr als ein Modell, konnte ein Buchstabe hinzugefügt werden. Diese Immatrikulation ermöglichte es den Punktrichtern an Wettbewerben, jedes Modell rasch anhand der Meldelisten dem richtigen Piloten zuzuordnen.
Die Modelle der MFG Baden
Die MFG Baden hatte eine ganz ansehnliche Anzahl Flugmodelle vorzuweisen. Es waren alles Eigenbauten, manchmal sogar Eigenkonstruktionen.
Diese Aufnahme entstand am 23.10.1960 bei einem Hochstart-Gruppenwettbewerb der MG Baden im Birrfeld. Hier sieht man Fritz Sidler (Pfeil). © zvg von Rolf Girsberger
Hier sieht man 5 A1- und A2-Segler der MFG Baden in einem Schutzzelt bei einem Leistungswettbewerb in Sulgen TG am 19. März 1961. Ganz vorne ein Bye-Bye. Der Fotogtaf ist nicht mehr bekannt. © zvg von Rolf Girsberger
Auf den beiden Fotos ist als höchste Nummer eine BA 35 (?) zu erkennen. Ferner eine BA 30 (Kö III), eine BA 24 (Kö III), eine BA 13 (?), eine BA 23e (?) und eine BA 23i (?). Ferner sieht man eine Dame mit einem Piccolo, der nicht erkennbar immatrikuliert ist. Die B6 von Fritz Sidler fehlt auf den Fotos, hingegen erkennt man bei seiner BA 6B rasch, dass es sich um ein frühes Modell des Bye-Byes handelte. Der Knabe mit dem karierten Hemd links von Fritz Sidler hält einen Cesi in der Hand und zwar ein Modell aus den späten 1950er Jahren, erkennbar am Höhenleitwerk in Rippenbauweise. Bei den Modellen mit Fragezeichen in Klammern handelt es sich vermutlich um Eigenkonstruktionen, die ich nicht identifizieren kann. Es sind durchwegs Modelle der Klassen A1 und A2. Rolf Girsberger erinnerte zudem daran, dass der Modellflug-Sportverein Wettingen auch über ein Archiv verfügt, in welchem man noch mehr Infos aus dieser frühen Zeit des Vereins erfahren könnte.
Fritz Sidler
Dank der Unterstützung des Schulsekretariats von Wettingen und dem Modellflug-Sportverein Wettingen konnte inzwischen eindeutig bestätigt werden, dass Fritz Sidler in den 1940er bis 1950er Jahren als Primarlehrer im Schulhaus Altenburg und danach als Sekundarlehrer und Rektor im Schulhaus Margeläcker unterrichtet hat. Er war Mitglied bei der Modellfluggruppe Wettingen, welche sich heute Modellflug-Sportverein Wettingen nennt und er wohnte auch in Wettingen und zwar am Fusse der Lägern bei der Trotte neben dem Altersheim. Ob er im Vorstand tätig war, ist noch nicht ermittelt, doch darf das vermutet werden. In dieser Zeit bot er für die Schüler Modellflug-Baukurse an. 1956 oder kurz danach ist vermutlich das Jahr, in welchem er bei C. Streil & Co. den Cesi lancierte.
Er war seinerzeit ein bekannter Konstrukteur eines Freiflug-Wurfgleiters (Cesi), sowie eines A1- und A2-Seglers (Piccolo und Bye-Bye), die er alle selber entworfen hatte und die vom Zürcher Modellbaugeschäft C. Streil & Co. über Jahrzehnte erfolgreich vermarktet wurden. Dabei war er auch aktiv als Instruktor für die Schweizerischen Lehrerbildungskurse tätig, doch auch für die Migros leitete er Modellbaukurse in den Sommerferien für Daheimgebliebene. Gebaut wurden dort die Modelle 'kleiner Uhu' und 'Piccolo'. Daran ereinnert sich noch Ruedi Hugi für die Zeit um 1964/65. Schriftlich überliefert ist sein Einsatz für den einwöchigen "Kurs Nr. 47 Flugmodellbau" vom 26.-31.7.1965. Dabei lehrte er andere Lehrer, wie man einen Flugmodellbaukurs durchführt, vermutlich anhand eines seiner eigenen Flugmodelle.
Seine eigenen Baukurse bot er bis in die 1960er Jahre im sogenannten Baulokal im Schulhaus Altenburg an, welches heute noch vom Modellflug-Sportverein Wettingen als Vereinslokal genutzt wird. Allerdings wird heute nicht mehr gebaut. Doch damals bauten jeweils am Mittwoch die Klubmitglieder unter seiner Führung an ihren Piccolos und in den Sommerferien organisierte er für interessierte Schüler auch eine Modellbauwoche, wo dann fleissig am kleineren Wurfgleiter Cesi gebaut wurde.
Es ist noch nicht ganz sicher, doch glaubt Daniel Martenet, dass Fritz Sidler sogar einmal Schweizermeister war (wird noch in den alten Siegerlisten des SMV überprüft) und regelmässig mit einem VW Käfer an Freiflug-Hochstart-Wettbewerbe fuhr. So nahm er zum Beispiel am 19. März 1961 Daniel Martenet und Rolf Girsberger an einen Leistungswettbewerb nach Sulgen TG mit. Davon gibt es noch eine Foto, welche die Modelle der Teilnehmer in einem Zelt zeigt, das sie vor den Schneeschauern schützte.
Auch auf der Website der Primarschule Altenburg in Wettingen wird Primarlehrer Fritz Sidler bestätigt, welcher von 1919 bis 1976 lebte. Die für die Vermietung des Baulokals zuständige Person erinnerte sich 2016 noch an einen Schüler namens Capaul, welcher bei Fritz Sidler in die Sekundarschule ging, zwei seiner Baukurse besuchte und dabei zwei Modelle baute. Es düfte sich um den Cesi und den Piccolo oder den kleinen Uhu gehandelt haben. Ab und zu schickte er seine Schüler auch zum Zigaretteneinkauf an den nahen Kiosk - er rauchte Gauloises.
Dass Fritz Sidler anfänglich Primarlehrer war und Klavierkonzerte gab, liest man ebenfalls auf der Website der Primarschule Altenburg in Wettingen. Unter Stadtammann Spörri wurde das Schulhaus Altenburg erstellt. Der Festakt mit Jugendfest war auf Sonntag, 19. Juni 1949, angesetzt. Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten stand das sinnvolle Weihespiel 'Freiheit in der Ordnung - Ordnung in der Freiheit', Text und Musik wurden von Fritz Sidler komponiert. Zirka 1300 Kinder aller Schulstufen mit den 34 Lehrern und Lehrerinnen bildeten einen farbenfrohen Festzug durch die reichgeschmückten Strassen Wettingens. Seine intensiven Aktivitäten mit dem Klavier und dem Komponieren begannen in der Zeit der 1940er Jahre und dauerten bis etwa 1955. Doch soll er auch später noch als Pianist aufgetreten sein.
Fritz Sidler war auch ein Begleiter des Cabarets Rüeblisaft in Baden. In der Zeit ab 1953 begleitete er abwechselnd mit anderen Pianisten das Cabaret. Ruedi Hugi besitzt noch eine Tonaufnahme ab Radio, wo es in der Ansage heisst: "....am Klavier Fritz Sidler. Weitere Details zum Cabaret Rüeblisaft siehe unter tls.theaterwissenschaft.ch.
Ferner las ich in www.badenermaske.ch/files/Jubilaeumsbuch.pdf, dass er auch Laienschauspieler und Mitbegründer des Kleintheaters 'Badener Maske' war und zahlreiche Rollen spielte. Hier finden sich ebenfalls Hinweise, dass Fritz Sidler Lehrer war und 1976 verstorben sei. Man findet zudem indirekte Informationen, wonach offenbar auch seine Familienangehörigen gelegentlich Rollen besetzten. Auch hier werde ich ab Sommer 2016, wenn ich meinen Wohnsitz wieder in den Kanton Aargau verlegt habe, den Hebel ansetzen und versuchen, zu weiteren Informationen zu gelangen. Seine Aktivitäten als Laienschauspieler erstreckten sich über die Zeit von 1946 bis 1976.
Die Flugmodelle des Fritz Sidlers im Einzelnen
Fritz Sidler war aber nicht nur Lehrer, Musiker, Komponist, Regisseur und Laienschauspieler, sondern wie schon angetönt, auch ein engagierter und erfolgreicher Modellflieger und Konstrukteur. Gesichert ist, dass er für das Modellbaugeschäft C. Streil & Co. in Zürich in den 1950er und 1960er Jahren Segelflugmodelle entwickelte. Dies ist nachgewiesen durch die Nennung seines Namens als Konstrukteur der Modelle Cesi, Piccolo und Bye-Bye in den Bauanleitungen und auch auf den Bautaschen und in den Streil-Katalogen. Es waren Modelle aus der Zeit der 1950er und 1960er Jahre, doch blieb er dem Modellflug noch über diese Zeit hinaus treu.
Über den Cesi, den Piccolo und den Bye Bye gibt es eigene Baiträge. Mehr siehe dort!
Der Cesi. Hier bereits mit dem neuen Höhenleitwerk, das nur noch aus einem Balsabrettchen besteht. Gut zu erkennen die typische Silhouette des Sidler-Flügels. © Arnold Wirz
Der Bye-Bye. Hier ein erst spät gebautes Modell aus dem Jahre 1988. Wann der Bye-Bye erstmals auf den Markt kam, ist noch ungesichert. Ich habe einen Baukasten erworben, der mit 1977 datiert war, doch muss das Modell deutlich älter sein. © Arnold Wirz
Weniger gut gesichert sind seine weiteren Modelle nach 1965, von denen ich nicht weiss, ob sie wirklich von ihm stammen oder nicht. Denn wenn sie von ihm stammen, dann hätte er bis zu seinem frühen Ableben im Jahre 1976 für das Modellbaugeschäft C. Streil & Co. in Zürich weitere Modelle entwickelt. Da ich damals wegen einer Familiengründung einen Unterbruch im Hobby hatte, fehlen mit heute alle Informationen dazu, die man aber in alten Streil-Katalogen fände. Leider sind diese heute alle Raritäten, die nur noch selten in einer Internetbörse auftauchen. Es besteht ein begründeter Verdacht, dass er noch folgendes Modell entwickelte, von dem der Name des Konstrukteurs noch nicht schriftlich gesichert ist, das aber doch alle seine Baumerkmale aufwies:
Die Streil-Schwalbe und der Vorgänger Ur-Schwalbe
Die Bezeichnung Ur-Schwalbe stammt von mir und betrifft ein Modell, dessen Namen ich vergessen habe, das aber sehr stark der späteren Schwalbe von 1977 der Firma Streil glich und einen Flügelaufbau hatte, der weitgehend mit jenem des Cesi übereinstimmte. Das Modell wurde in einem Streil-Katalog beschrieben, den ich auf ca. 1960 oder etwas später datiere. Es war ein A2-Segler mit einem T-Leitwerk, welcher fast genau gleich aufgebaut war wie die bereits erwähnte spätere Streil-Schwalbe von 1977.
Da die Ur-Schwalbe ein bauliches Merkmal besass, welches an die Modelle von Fritz Sidler erinnert, vermutete ich lange Jahre, dass er der Konstrukteur der Schwalbe war. Dank der Aufmerksam von Dominique Vultier konnte dies nun geklärt werden. Der Konstrukteur hiess Dieter Siebenmann. Fritz Sidler hat somit mit der Schwalbe nichts zu tun.
Zwei weitere Modelle, die ich ursprünglich ebenfalls Fritz Sidler zuordnete, haben sich als Moeve und Libelle entpuppt und stammten von Ernst Klauser, vertrieben durch das Modellbaugeschäft C. Streil & Co. in Zürich.
Dieser Beitrag wurde von Arnold Wirz am 9.8.2018 letztmals aktualisiert.
Quellen:
- Hans Toniolo (Schenkung zahlreicher Sidler-Modelle)
- C. Streil & Co., Zürich (Infos aus Katalogen etc.)
- www.primarschule-altenburg.schule-wettingen.ch/ueber-uns
- www.badenermaske.ch/files/Jubilaeumsbuch.pdf
- Andy Matterson (half beim Auffinden von Weggefährten Fritz Sidlers und lieferte weitere Hinweise)
- Sabine Graf, Daniel Sulzer, Roland Spörri, Daniel Martenet (kannten Fritz Sidler oder wussten etwas über ihn)
- Rolf Girsberger (Infos und zwei Fotos von 1960+1961) http://retro.seals.ch (lieferte Infos über Fritz Sidlers Lehrerbildungskurse)
- Ruedi Hugi (Wohnort, VW, Gauloises, Migros-Kurse, Cabaret Rüeblisaft)
- tls-theaterwissenschaft.ch (Pianist beim Cabaret Rüeblisaft)
- Dominique Vultier (nannte den Konstrukteur der Schwalbe)
Letzmals redigiert: 1.6.2024