Piccolo von Streil, Hope, Info zum Modell von Arnold Wirz

 

Vorgeschichte

Der Piccolo war ursprünglich eine Kreation aus dem Hause von Christel und Willy Streil in Zürich und wurde von ihnen als CES-Schnellbaukasten erstmals um 1956 herum vertrieben. Das Jahr 1956 ist allerdings noch nicht ganz eindeutig gesichert, denn ich sah vor einiger Zeit einen Bausatz für Schulen in einem gelben Beutel und dort stand als Konstruktionsjahr 1963. Das Modell ist eine Konstruktion von Fritz Sidler, welcher Mitglied der Modellfluggruppe Wettingen war.

PiccoloDer Anblick des A1-Seglers von der Seite. © Arnold Wirz

PiccoloHier sieht man meinen Piccolo, ein Geschenk von Hans Toniolo zuhanden meiner Sammlung antiker Modellflugzeuge. Er befindet sich trotz seiner 58 Jahre in gutem Zustand. Einzig die Seidenpapierbespannung muss durch Japanseide ersetzt werden. © Arnold Wirz

Fritz Sidler war auch der Konstrukteur des Cesis und des Bye-Byes und vermutlich auch der Schwalbe. Nach dem Cesi einigte sich Willy Streil auch beim Piccolo darauf, dass er ihn als Schülermodell in einem Schnellbaukasten nachbauen durfte. Von Fritz Sidler stammte auch hier nur der Bauplan des fertig erprobten Modells. Alles andere besorgte dann Willy Streil mit seinen Leuten.

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PiccoloNebenbei sieht man ein Foto aus dem Jahr 1960, wo man einige von Fritz Sidlers Modellen sieht. Da ist auch ein Piccolo erkennbar (schwarzer Pfeil). Es hat ihn also mit Sicherheit schon 1960 gegeben. Frühere Fotos habe ich leider nicht, doch wer noch alte Streil-Kataloge besitzt, könnte helfen, das Erstverkaufsjahr zu ermitteln und der OGS mitzuteilen.

 

Schulbaukasten

Der Piccolo galt als ideales A1-Segelflugmodell für Anfänger und eignete sich hervorragend für den Bau im Werkunterricht in Schulen oder als Start ins Hobby Modellfliegen. Wie viele Baukästen bis heute vertrieben worden sind, ist leider ungezählt, doch schätze ich, dass es wie beim Cesi sicher weit über 10'000 waren. Im Streil-Katalog Nr. 7 von ca. 1967 kostete der Bausatz Fr. 14.80.

Der Baukasten wird heute noch angeboten. Als Lieferant wird vom SMV im Jahre 2011 Hope Modellbau in Schöftland AG genannt. Die Firma hat der OGS im Oktober 2015 bestätigt, dass man den Piccolo immer noch im Sortiment habe. Man kann ihn allerdings nur im Laden kaufen, im Internet-Shop ist er nicht aufgeführt.

Piccolo BeipackzettelAuf dem Beipackzettel des Schülerbausatzes findet man die technischen Daten des Modells und auch der Jahrgang der Konstruktion. Das Jahr der Konstruktion wird mit 1963 angegeben, doch gilt das nur für diesen Baukasten. © Arnold Wirz

Im Laden in Schöftland hängt ein Piccolo an der Decke. Es ist ein sehr schönes Modell mit einer guten Ausstattung. Je nachdem welches Konstruktionsjahr richtig ist, feiert der Piccolo im Jahre 2017 seinen 61., mit Sicherheit aber seinen 57. Geburtstag! Ein Riesenerfolg für den Konstrukteur. Der Piccolo gehörte zur alten FAI-Klasse A1 und wird auch heute noch vom Schweizerischen Modellflugverband SMV als Grundbaukasten empfohlen.

Seine damaligen Mitbewerber waren Graupners kleiner Uhu, Kircherts Standard A1, der Thermaris von Hope, das Käuzchen und der Spatz von Thiele, der Flamingo von Streil (galt als Nachfolger des Piccolos), der Kö II und der Kö Standard A1 von Werner Kölliker sowie die Freundschaft und der Pionier von Anker Mechanik. Sie sind es zum Teil bis heute geblieben, denn der gute alte Freiflug-A1-Segler hat immer noch viele Anhänger und Liebhaber. Die internationale Bezeichnung der A1-Klasse lautet heute F1H (bis max. 18 dm² Flügelfläche).

 

Aufbau

Der Piccolo wird ganz in Holzbauweise mit einem Balsarippen- und Buchenleistenflügel, einer Bespannung mit Seidenpapier oder besser mit aufgerauter Japanseide sowie einem Höhenleitwerk in Rippenbauweise hergestellt. Der Flügel mit geradem Mittelteil und «Ohren» ist aus Holmen und Rippen aufgebaut. Der grössere Teil des Seitenleitwerks befindet sich unter dem Rumpf und dient so als Schutz des Höhenleitwerks beim Landen. Über dem Rumpf hat es nur einen kleinen Schweif, welcher als Anschlag für das aufgeklappte Höhenleitwerk dient, wenn die Thermikbremse ausgelöst wird. Der Bauaufwand wird auf etwa 28 Stunden bei Papierbespannung und auf 32 Stunden bei Japanseidenbespannung geschätzt. Man kann den Piccolo auch mit Folie bespannen. Er fliegt dann etwas schneller und wirkt ein wenig nervöser.

 

Flugeigenschaften

Bei Windstille ist er gut am Abhang einzusetzen und fliegt pro 1 Meter Hanghöhe leicht 20 Meter weit oder sogar mehr. Der Piccolo ist ein langsam fliegendes Modell und sollte daher nicht mit Folie bespannt werden, da sie eine zu glatte Oberfläche hat. Das Bespannen mit Japanseide wird eher empfohlen, erfordert aber etwas mehr Arbeit. Dafür bekommt man dann ein Modell mit deutlich gutmütigerem Flugverhalten und grösster Haltbarkeit der Bespannung.

 

Meine eigenen Piccolos

Von Hans Toniolo, einem früheren Anhänger der Freiflugszene während seiner Jugendzeit, bekam ich 2014 und 2015 insgesamt fünf noch recht gut erhaltene, aber ausgediente Piccolos zuhanden meiner Sammlung antiker Segelflugmodelle geschenkt. Hans Toniolo konnte diese Modelle vor einiger Zeit bei einer Räumung übernehmen und hat sie so vor der Entsorgung gerettet. Nun werden sie bei mir schrittweise restauriert, wobei es leider nicht mehr bei allen Modellen möglich ist, die originale Bespannung aus Seidenpapier beizubehalten, da diese bereits zu spröde geworden ist. Bei zwei Modellen hingegen kann ich sie beibehalten, da es sich um Graupners originale Japico-Seidenpapier handelt, das langlebiger und rauer ist. Die anderen bekommen nun eine neue Bespannung aus leichter Japanseide und werden danach neu mit Farbe besprüht.

Das 1. Modell war mit Seidenpapier gelb-veilchenblau bespannt, doch war die Bespannung so brüchig, dass ich es sofort gestrippt habe. Es bekommt nun eine neue Bespannung aus Japanseide und wird dadurch etwa 10 g schwerer.

PiccoloHier sieht man einen meiner gestrippten Piccolos. Nach über 50 Jahren war die Seidenpapierbespannung zu spröde geworden und wird nun durch Japanseide ersetzt. Die neue Farbgebung bleibt unverändert. © Arnold Wirz

Das 2. Modell ist ganz in gelb gehalten und die Bespannung besteht aus Seidenpapier, welche noch in bestem Zustand ist und daher noch nicht gewechselt werden muss. Das ganze Modell ist in beneidenswert gutem Zustand.

Das 3. Modell war ebenfalls in gelb gehalten, hatte aber schwarze Rumpfflanken und ein angebrochenes Flügelohr und der schweifförmige Halter, welcher das Höhenleitwerk nach dem Auslösen der Thermikbremse fixiert, war abgebrochen. Beides konnte aber problemlos repariert werden. Die vom Vorbesitzer schwarz lackierten Rumpfflanken werden geschliffen und wieder in Naturholzfarbe gehalten. Der Rumpf wird nun mit Spannlack vorgestrichen und dann mit halbtransparenter Farbe überstrichen.

Das 4. Modell hatte einen gelben Flügel innen und orangefarbene Ohren. Die gelbe Bespannung ist noch in guter Verfassung und kann gerettet werden. Die orangefarbenen Ohren müssen neu bespannt werden. Dies erfolgt mit Japanseide. Ansonsten ist das Modell in gutem Zustand.

Das 5. Modell hatte innen einen orangefarbenen Flügel, dessen Bespannung noch in Ordnung ist, dessen gelbe Ohren hingegen neu bespannt werden müssen. Dies erfolgt ebenfalls mit Japanseide. Die Hinterkante des Höhenleitwerks ist beschädigt. Es erhält eine neue Endleiste und wird neu bespannt mit Japanseide.

Ausser ein paar kleinen Dellen sind die Modelle nach der Neubespannung weitgehend intakt und könnten wieder flugtüchtig gemacht werden. Vereinzelt musste ich noch einige Metallteile der Steuerung wegen Rost ersetzen.

Ich werde es mir nicht entgehen lassen, eines dieser Modelle an einem kleinen Hang etwas fliegen zu lassen. Danach werden sie in meine Sammlung antiker Segelflugmodelle eingefügt. An besonderen Tagen kommen sie anlässlich von Flugveranstaltungen von Freunden antiker Modellsegler wieder zu weiteren wohlverdienten Flügen. Das tolle an diesen Modellen ist, dass sie alle noch aus den 1950er Jahren stammen und damit zwischen 50 und 60 Jahre alt sind. Weitere Fotos folgen noch.

Sie fragen sich vielleicht, welchen Sinn es macht, fünf gleiche Modelle in der Sammlung zu hegen. Die Antwort ist ganz einfach. In meinem Bastelzimmer hat es Platz für etwa 80 Flugmodelle, wenn man sie demontiert auf Lagergestellen lagert. Zudem betrachtete ich mich beim Erwerb als Retter der Modelle, welche sonst entsorgt worden wären. Im Übrigen gilt, dass man einen Piccolo nicht wegwirft, so wie man einen alten Edelstein auch nicht wegwirft.

 

Antike Thermikbremse

Die fünf Piccolos besitzen noch fast alle Teile zur Bedienung der Thermikbremse sowie für den Hochstart mit Nylon-Leine. So konnte ich dank Hermann Mettlers Beitrag in der Schweizer Verbandszeitschrift "Modellflugsport" Nr. 2/2014, Seite 21 (Die Flugmodelle des Kö) die genaue Funktionsweise klar rekonstruieren. Die Thermikbremse des Piccolos wurde ursprünglich mit einer langsam abbrennenden Glimmschnur ausgelöst, welche einen kleinen Gummiring durchschmorte. Das Modell wurde später aber auch mit einer Zeitschaltuhr ausgestattet. Diese waren mit einem Gewicht von 20 bis 30 g zwar schwerer als die Glimmschnur, doch konnte man dieses Gewicht weitgehend durch die Reduktion des Blei-Ballasts kompensieren.

Auch die mechanische Zeitschaltuhr gilt inzwischen bei den jüngeren Modellflieger als veraltet. Wer sich aber als Modellbauer und Modellflieger weiterhin dem historischen Modellfliegen verbunden fühlt, erhält bei Thiele-Modellbau auch heute noch eine mechanische Zeitschaltuhr zu einem fairen Preis. Wie es scheint, werden sie aber nicht mehr produziert, es sind vielmehr Restbestände. Mehr siehe unter: www.modellbau-thiele.de/. Mit etwas Geduld findet man aber an Modellflugbörsen weiterhin Zeitschaltuhren.

Mittlerweile ist es recht schwierig geworden Glimmschnur zu finden. Stand März 2024 z. B. noch bei https://www.traudl-riess.de oder https://www.winklerschulbedarf.com (nach Glimmschnur suchen)

 

Technische Daten

  • Spannweite: 116 cm
  • Rumpflänge: 78 cm
  • Höhe: 7.2 cm
  • Flügeltiefe innen: 12.8 cm, aussen 10.8 cm
  • Tragflächeninhalt: 20.48 dm²
  • Flächenbelastung: 11.62 g/dm²
  • Fluggewicht: 238 g
  • Fluggeschwindigkeit: um 13 km/h im Gleitflug
  • V-Stellung der Flügelohren ca. 15°

 

Quellen:

  • Arnold Wirz
  • SMV
  • Streil-Kataloge
  • Hans Toniolo (Schenkung der Modelle)

Der Beitrag wurde von Arnold Wirz am 19.11.2017 letztmals nachgeführt.

Letztmals redigiert: 28.5.2024