Rüebliländer von Streil, später Hope, Info zum Modell von Arnold Wirz
Vorgeschichte
Die älteste Information über diesen A2-Segler, welche ich bis heute finden konnte, datiert aus dem Jahre 1955 und ist vermutlich das Jahr des Erstflugs vom Prototyp. Bis Josef Meyer von der MG Villmergen sein Modell fertig entwickelt hatte und es den Streils zum Nachbau anbot, dürften noch einige Jahre vergangen sein. Im Streil-Katalog von 1958 ist er aber noch nicht aufgeführt, da der Baukasten beim Druck des Katalogs noch nicht verkaufsbereit war. In "Kircherts Antikplanliste" steht, dass das Modell aus dem Jahre 1958 stamme, was die obige Vermutung bestätigt, dass er im späteren Verlauf des Jahres 1958 zum Verkauf kam. Die IG-Albatros schreibt, dass der Rüebliländer den Jahrgang 1965 habe. Das liegt wohl daran, dass dieses Archiv unter Jahrgang nicht zwingend das Erstausgabejahr des Modells meint, sondern das Datums jenes Plans, der dem Archiv zur Verfügung steht.
Hier sieht man jenes Foto des Rüebliländers, welche Willy Streil ab 1958 auf den CES-Schnellbaukästen ganz links aufdrucken liess. © Arnold Wirz
Ich selber habe den Rüebliländer im Katalog von 1960 erstmals bewusst gesehen, bin mir aber nicht sicher, ob meine Annahme stimmt, dass es ein 1960er Katalog war. Ich bekam ihn von den Streils um 1961. Der Name Rüebliländer lässt auch sehr stark vermuten, dass der Konstrukteur ihn gewählt hat, weil er entweder im Rüebliland wohnte oder von dort stammte.
Mit dem Rüebliland ist heute ganz allgemein der Kanton Aargau gemeint. Wer kennt nicht die berühmte Rüeblitorte aus diesem Kanton? Das "Kulinarische Erbe der Schweiz" schreibt dazu wörtlich: "Die Rübelitorte wird zwar in der gesamten Schweiz, insbesondere in der Deutschschweiz hergestellt und konsumiert, wird aber vom Ursprung her dem Kanton Aargau zugeordnet, der scherzhaft auch Rüebliland genannt wird. Die Bezeichnung Rüebliland ist vermutlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden. Möglicherweise ist es eine Ableitung von "Rübenland", einer Bezeichnung für den Berner Aargau, der ein klassisches Rübenanbaugebiet ist." Andererseits habe ich etliche Jahre in Muri AG gewohnt, das im Bünztal liegt und ich entsinne mich, dass ich in den 1980er Jahren in der Gegend um Wohlen viele Rüebliäcker sah, wenn ich mit meinem Velo durch die Gegend fuhr. In Wohlen gibt es eine Bäckerei, die sich Rüebliland-Beck nennt und auch Filialen in Villmergen und Wildegg unterhält. Und ich habe selten so viel Rüeblitorten gegessen, wie in dieser Zeit. Da auch der Konstrukteur Josef Meyer von Villmergen stammt, hat er seinen Segler somit nach seiner eigenen Gegend benannt. Damit wäre zumindest die Bedeutung des Namens des A2-Seglers geklärt.
Das Bild zeigt den perfekt erhaltenen CES-Schnellbaukasten des Stefan Hungerbühlers aus dem letzten Jahrhundert. Der Rüebliländer wurde noch bis nach 1977 verkauft. Noch später auch bei HOPE. Die rosa Seidenpapierrolle in diesem Bausatz weist auf die Zeit der 1970er Jahre hin. © Stefan Hungerbühler
Zum Konstrukteur Josef Meyer des Flugmodells aus den 1950er Jahren ist mir bis jetzt dank des Baubeschriebs immerhin bekannt, dass er Mitglied bei der Modellfluggruppe Villmergen war. Da die Konstruktion aus einer Zeit lange vor der Einführung des Internets stammt, findet sich unter Google nichts, weder über das Modell noch über den Erbauer. Ausgenommen sind natürlich meine eigenen Beiträge, die Google selbstverständlich kennt. Ich werde versuchen, über die MFG Villmergen noch mehr zu erfahren. Dem Internet konnte ich inzwischen indirekt entnehmen, dass die MFG Villmergen in der MFG Wohlen aufgegangen ist.
Weitere Einzelfunde an etwas versteckter Stelle:
Nach längerem Suchen fand sich dann noch einen Bericht über das 40. Jubiläum des Modellfluggruppe Thal SG (bei Altenrhein), wo berichtet wird, dass ein Hans-Jakob Bärlocher um 1970 herum einen zum RC-Segler umgebauten 'Rüebliländer' flog. Hans-Jakob Bärlocher hat mir erlaubt, das Foto von ihm und seinem Modell hier zu zeigen. Ganz herzlichen Dank!
Hier sieht man den auf RC-Steuerung und V-Leitwerk umgebauten Rüebliländer von Hans-Jakob Bärlocher. Am Boden stehend sieht man seine Fernsteuerung. Im Bericht der MFG Thal steht, dass es sich um einen getunten Rüebliländer handelt. © Hans-Jakob Bärlocher
Noch etwas früher berichtet der gleiche Verein folgendes: "1966: Otto Lei sen. baut im 2. Baukurs den Wettbewerbssegler 'Rüebliländer'." Das heisst, dass 1966 bei der Modellfluggruppe Thal ganz offensichtlich gleich mehrere Rüebliländer gebaut wurden.
Im Weiteren hat mich Modellflugfotograf Hermann Mettler darauf aufmerksam gemacht, dass Urs Leodolter in seinem privaten Modellflugmuseum noch einen Schnellbaukasten besitzt. Glücklicherweise, muss ich sagen, denn in meinem kürzlich erworbenen ersten Baukasten fehlte der Baubeschrieb. Urs Leodolter hat mir mit einer Kopie ausgeholfen. Auch hier ganz herzlichen Dank!
In einer weiteren Fundstelle, dem Antik-Bauplanarchiv von Walter Wolf, wird für den Bauplan und den Baubeschrieb das Jahr 1964 genannt. Damit liegen nun drei verschiedene Jahre für die Erstausgabe vor. Vermutlich haben die Streils den Bauplan und den Baubeschrieb 1964 nochmals neu aufgelegt und das Archiv besitzt nun eben das Original von 1964 und nicht jenes der allerersten Auflage.
In Kircherts Antikplanliste ist er mit Jahrgang 1958 aufgeführt, was vermutlich das Jahr war, in welchem die Streils den Rüebliländer erstmals anboten.
Um 1967 herum kostete der Bausatz Fr. 24.50, so steht es im Streil-Katalog Nr. 7.
Der Kauf meines ersten Rüebliländers
An den Rüebliländer kann ich mich zurück bis ins Jahr 1960 erinnern, als ich als Sekundarschüler bei Christel und Willy Streil den Katalog des Jahrgangs 1960 bei einem Kauf von ihnen geschenkt bekam (!). Wie genial von den Streils! Stundenlang habe ich darin herumgeblättert und vor allem die Flugmodelle und die Motoren studiert. Dort stiess ich dann erstmals auf den Rüebliländer, der mir vor allem wegen dem auffälligen Namen in Erinnerung blieb. Das Modell gefiel mir sehr gut und ich hätte es gerne gekauft, doch fehlte mir damals das Geld und wohl auch etwas der Mut, so ein Flugmodell im Alleingang zu bauen, wo ich doch vom Bau eines solchen Modells noch gar nichts verstand, obwohl ich schon 17 Jahre alt war. Im Hinterkopf blieb das Modell aber bis heute haften und gehörte in den letzten Jahren zu jenen inzwischen historischen Modellen, von denen ich gerne ein Exemplar in meiner Sammlung gehabt hätte.
Nun hat sich mit einem Angebot eines Ricardo-Kunden die einmalige Gelegenheit ergeben, einen noch vollständig und bestens erhaltenen Rüebliländer-Schnellbaukasten zu erwerben, sodass die langjährige Suche ein Ende hat. Foto des Schnellbaukastens siehe oben.
Mein zweiter Rüebliländer
Hans Toniolo schenkte mit zuhanden meiner Sammlung antiker Segelflugmodelle einen zu 60% vollendeten Rübeliländer. Er konnte diesen vor Jahren einmal erwerben und hat ihn über die Zeit gerettet. Dieser ist sehr sauber aufgebaut. Eine der beiden Flügelohren war abgebrochen, doch konnte ich ohne viel Aufwand eine Reparatur vornehmen. Der Baukasten trägt die Jahreszahl 1972 und enthält im Gegensatz zum oberen Baukasten eine Baubeschreibung zum Bau der RC-Version mit Kastenrumpf. Die RC-Version kam gemäss CES-Kurier Nr. 54 vom Dezember 1972 tatsächlich in diesem Jahr auf den Markt und galt als RC-Nachfolger des vormaligen A2-Seglers. Es hat in dieser Ausgabe einen Kurzbericht von Josef Meyer. Der frühere Besitzer und Erbauer dieses Modells ist mir namentlich nicht bekannt, doch aufgrund der Bauausführung erkenne ich ganz klar gewisse Ähnlichkeiten zu meinen Modellen Libelle, Moeve und Bye-Bye, d. h., dass alle vier Modelle vom gleichen Modellbauer gebaut wurden. So zumindest meine Vermutung.
Der Kastenrumpf erscheint auf den dem Bauplan beigelegten Fotokopien aber sehr klobig. Nach dem Studium des Bauplans war aber rasch klar: Für die Fotos hat man kein originales Modell benützt, sondern nur Attrappen. Glücklicherweise hat sich der frühere Eigentümer dieses Baukastens entschieden, den Rumpf der Freiflug-Version zu bauen, welcher mir als Modell sympathischer ist, da ich kein begnadeter RC-Flieger bin.
Bau des Modells
Ich bin grenzenlos begeistert und werde den einen noch 2015 vollenden und das zweite Modell dann 2016 und später beide auch im Fluge testen. Die Kartonschachtel des Originalbaukasten werde ich natürlich aufbewahren. Viele Rüebliländer wird es vermutlich nicht mehr geben und ein flugfähiger Rüebliländer noch weniger, am ehesten bei Hansruedi Zeller von Thal SG. Umso erfreulicher wird es dereinst sein, gleich über zwei Modelle zu verfügen. Das eine wird in hellblau und das andere in gelb gehalten. Beide werden mit Japanseide bespannt.
Das erste der beiden Modelle ist im Rohbau fast vollendet. Noch fehlen die Flügelmontage und das Seitenleitwerk. © Arnold Wirz
Der zweite Rüebliländer ist nun ebenfalls im Rohbau fertiggestellt und feingeschliffen. Er bekommt als nächstes eine Bespannung aus Japanseide und ist dann flugbereit zur Erprobung. © Arnold Wirz
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Technische Daten
- Spannweite: 183 cm
- Tragfläche: 31.1 dm²
- Flügelprofil: unbekannt, ähnlich Kö III
- Rumpflänge: 110 cm
- Flächenbelastung: ca. 16 g/dm²
- Gewicht: ca. 500 g
- Flügeltiefe: 17 cm
- Konstruktion: Josef Meyer, MG Villmergen
Schicksal meiner Rüebliländer
Leider musste ich 2016 aus Alters- und gesundheitlichen Gründen etwas kürzertreten und gleichzeitig wurde meine Mietwohnung verkauft. So verlor ich meine drei grossen Bastelzimmer und musste meine Modellflugzeugsammlung weitergeben, denn am neuen Wohnort hatte ich nur noch ein Bastelzimmer. Die beiden Rüebliländer sind um 2017 in besten Händen bei Dominique Vultier gelandet.
Nachtrag IGA, März 2024
Im Zusammenhang mit den Recherchen zu Hope faden wir Baukästen, deren Bauanleitung mit einem Hope-Kleber versehen waren. Peter Hochuli gab an, dass er mit der Übernahme diverser Modelle von Streil auch eine gewisse Anzahl Baukästen bekam, unter anderem eben vom Rüebliländer. Dies geschah Ende der 1980er-Jahre. HOPE verkaufte diese Modelle, so dass in den 1990er immer noch Baukästen erhältlich waren. Wir nehmen an, dass besagte Baukästen mit Hope-Kleber aus diesen Restbeständen stammen.
Quellen:
- Streil-Katalog (fehlt mir noch, enthält weitere Daten)
- Urs Leodolter (lieferte eine Kopie des Baubeschriebs)
- Stefan Hungerbühler (verkaufte mir seinen neuwertigen Baukasten)
- Hans Toniolo (lieferte ein teilw. vorgefertigtes Modell mit Baubeschrieb)
- eigene Erinnerungen
- CES-Kurier Nr. 54
- Peter Hochuli
Letztmals redigiert: 27.3.2024