Libelle von Streil, Info zum Modell von Arnold Wirz

 

Vorgeschichte

Kürzlich konnte ich ein sehr schönes und nahezu perfekt erhaltenes Freiflug-A2-Segelflugmodell für ein sehr bescheidenes Taschengeld entgegen nehmen. Der Verkäufer wollte lediglich seine Umtriebe durch den Transport entschädigt erhalten, sodass das Modell quasi eine Schenkung darstellt. Der grosszügige Spender heisst Hans Toniolo, der selber Modellflieger ist, sich aber aus Platzgründen von einigen älteren Modellen trennen wollte. Da ich ihm versprach, meine Sammlung alter Modellflugzeuge dereinst auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, bekam ich den Zuschlag. Mit der Publikation von Fotos, der Modellgeschichte und den technischen Daten aller geschenkten Modelle in der OGS-Seebach bin ich diesem Versprechen in einem ersten Schritt nachgekommen. Wenn es sich ergibt, wird meine Sammlung auch einmal ausgestellt, doch muss ich zuerst noch rund zwanzig Modelle restaurieren und noch 12 Bausätze vollenden, bevor ich an eine Ausstellung denken kann. Weitere Angaben zum Modell folgen nun nach und nach.

LibelleDie mit Ecospan oder Litespan bezogenen Flügel des Modells verraten grosse bauliche Kompetenz. Welches Modell sieht nach 37 Jahren immer noch so aus als wäre es neu erbaut? © Arnold Wirz

 

LibelleDas Modell aus einer anderen Perspektive. Hier ist gut erkennbar, dass der Erbauer des Modells auf die Sidler-Schränkung verzichtet hat. © Arnold Wirz

 

Bei der Entgegennahme des Modells war ich allerdings nicht in der Lages, es zu erkennen. Inzwischen hat sich Dominique Vultier bei mir gemeldet, da er dieses Modell einmal selber flog. Er erinnert sich, dass das Modell Libelle hiess. Mehr wusste er aber nicht. Es ist deutlich massiver gebaut als die üblichen A2-Modelle und weist auch eine relativ neuere Bespannung auf, die nicht aus Seidenpapier besteht, sondern aus einer Folie in der Art von Ecospan oder Litespan. Das Modell ist von der verwendeten Folie her höchstens um 30 Jahre alt, von der Konstruktion her aber eher 40 Jahre alt und befindet sich in nahezu perfektem Zustand. Die gewählte Bespannung ist ziemlich zäh und langlebig und wesentlich schneller aufzutragen als Japanseide.

Die Libelle gehört jetzt schon zusammen mit dem Schwesterflugmodell Moeve zu meinen am besten erhaltenen 'antiken' Modellen in meiner Sammlung. Da es erst um etwa 1978 erbaut wurde, aber noch für den Betrieb mit einer Thermikbremse mit Glimmschnur ausgelegt ist und nicht für eine Zeitschaltuhr, scheint die Konstruktion tatsächlich etwas älter zu sein. Vermutlich entstand zeitgleich mit der Moeve. Da sie etwas leichter war, könnte die Libelle die Moeve-Version für A2-Wettbewerbe gewesen sein. Mit einem Trockengewicht von 394 g fehlten ihr nur 17 g Bleigewicht zur Erfüllung der A2-Anforderung.

 

Wer war der Konstrukteur der Libelle?

Dominique Vultier vermutete, dass Hanno Pfeiffer mit dem Modell etwas zu hatte. Leider besitzt er den Plan seiner Libelle nicht mehr, denn dort wäre der Name des Konstrukteurs erwähnt gewesen. Eine Rückfrage bei Hanno Pfeiffer ergab dann, dass dieser sich nicht daran erinnern kann, eine Libelle konstruiert zu haben. Inzwischen konnten mir aber Walter Wuhrmann und Bruno Ferrari etwas weiterhelfen. Die Libelle ist eine abgeänderte Version der Moeve

 

Schulbaukasten

Die Moeve wurde von Ernst Klauser konstruiert, zusammen mit F. Meier. Ich gehe vorerst davon aus, dass die Libelle somit von den gleichen Konstrukteuren stammt. Im Streil-Katalog von 1979 fehlt die Libelle. Die Moeve hingegen, welche fast den gleichen Rumpf aufweist, ist in den Streil-Katalogen aufgeführt. Es gibt somit noch einige Unsicherheit zum Namen, zum Baujahr und zum Konstrukteur, denn die Herren Wuhrmann und Ferrari konnten den Namen Libelle nicht bestätigen, ebenso wenig wie Hanno Pfeiffer. Es ist aber gesichert, dass sie beim Schulamt der Stadt Zürich als Kursmodell für den Handfertigkeitskurs diente. Gemeint sind hier die Ferienkurse, welche Ernst Klauser aufzog. Inzwischen haben sich bereits drei Modellflieger bei mir gemeldet, die bestätigten, dass sie dieses Modell in Zürich während eines Ferienbaukurses gebaut haben.

 

Flugeigenschaften

Die Libelle war ein hervorragend fliegendes Modell und verfügte ausser ihrem Erscheinungsbild über keinerlei modische Baumerkmale. Dafür waren alle konstruktiven Mängel, welche die damaligen A2-Modelle noch hatten, vollständig eliminiert. Die Libelle hatte eine Thermikbremse, die mit Glimmschnur ausgelöst werden musste und die ganze Vorrichtung ist so einfach und genial ausgeführt, dass manch ein Besitzer dieses Modells zum Vornherein auf eine moderne Zeitschaltuhr verzichtete und wieder so fliegen wollte, wie in den 1950er Jahren.

LibelleEin Foto von der Libelle, aufgenommen in Islisberg im Jahre 1978. Dominique Vultier hat das Modell anlässlich eines Baukurses selber gebaut. Hier sieht man auch die Sidler-Schränkung an der Flügelendleiste ganz aussen. © Dominique Vultier

 

Dank ihrer grossen Flügeltiefe hat das Modell eine relativ kleine Flügelstreckung und flog dementsprechend sehr langsam. Es war in der Lage, auch kleinste Aufwinde zu erspüren. Wegen des Kastenrumpfs wirkte die Libelle kraftvoll und sah nicht so spartanisch aus wie die Konkurrenzmodelle. Sie war ein richtiges Flugzeug und sah zudem mit dem gepfeilten Seitenleitwerk auch noch schnell aus, viel schneller jedenfalls, als sie tatsächlich flog. Ich freue mich vorerst, dass ich ein so perfekt erhaltenes und zudem seltenes Modell in meiner Sammlung habe.

 

Meine eigene Libelle

Der frühere Besitzer und Erbauer meiner kürzlich erworbenen Libelle ist mir namentlich nicht bekannt. Der Erbauer hat sehr sorgfältig und sauber gearbeitet und eine Flügelbespannung mit einem Material vorgenommen, das offenbar ewig hält und auch ganz aus der Nähe sehr perfekt aussieht. Es war kein Modellbauer, der diese Libelle baute, sondern ein Kunsthandwerker!

 

Andere Libellen

Die Libelle war und blieb nicht das einzige Segelflugmodell dieses Namens: Schon 1939 konstruierte Gustav Aldinger ein Segelflugmodell mit 154 cm Spannweite unter diesem Namen. Etwa ab 1990 gab es dann auch die Libelle von Höllein, welche diesen Namen bis heute in vielen Varianten weiterhin trägt.

 

Technische Daten:

  • Typ: Freiflug-A2-Segler mit einer Glimmschnur-Thermikbremse
  • Baujahr: um 1978
  • Spannweite: 138 cm
  • Länge: 102 cmHöhe 16 cm
  • Gewicht: 394 g
  •  Flügeltiefe 18.5 cm
  • Flügelfläche: 25.53 dm²
  • Flügelstreckung: 7.46
  • Flächenbelastung: 15.43 g/dm²
  • Bespannung: Ecospan oder Litespan

 

Quellen:

  • Arnold Wirz
  • Dominique Vultier (erkannte das Modell)

 

Der Beitrag wurde von Arnold Wirz letztmals am 30.8.2016 nachgeführt

Letztmals redigiert: 27.3.2024

 

 

 

 

GlimmschnurDies ist ein Knäuel Glimmschnur, welche man für die Thermikbremse benützt. © Arnold Wirz

Mittlerweile ist es recht schwierig geworden Glimmschnur zu finden. Stand März 2024, z. B. noch bei https://www.traudl-riess.de oder https://www.winklerschulbedarf.com (nach Glimmschnur suchen)

 

GlimmschnurMit solcher Hochstartleine wurden und werden auch heute noch die A2-Modelle auf die Ausgangshöhe gebracht. Hier eine Rolle von Graupner. © Arnold Wirz