Restauration eines Pilot 4 von Robert Berg

 

Vorgeschichte

Ich war schon länger auf der Suche nach einem Frässatz von einem „antiken“ Modell-Segelflieger. Nur welcher soll es denn sein? Die im Handel erhältlichen Bau- oder Frässätze, wie Strolch von Aero-Naut oder Hast von Aeroplan sprechen mich nicht so an. Bei einem Schwatz mit Peter Widmer erwähnte dieser, dass er aus einem Nachlass diverse Modelle übernehmen konnte, unter anderem auch einen Pilot 4. Der Erbauer wäre Schreiner gewesen, und so wie er das beurteile, seien die Modelle sauber gebaut. Allerdings sei der Pilot 4 schon älter und die Bespannung brüchig, voller Löcher. Bei Interesse würde er mir das Modell gerne überlassen. Peter schickte mir dann diverse Bilder von dem Modell damit ich mir einen ersten Eindruck vom Pilot machen konnte.Pilot 4, erster Eindruck

Wenig später haben wir uns bei ihm daheim getroffen. Das Modell ist wirklich schon älter. Zu den diversen Löchern kommen noch heftige Verzüge hinzu. Strukturelle Schäden oder grobe Baufehler konnte ich nicht entdecken. Alles in allem sollte mit etwas Arbeit wieder ein schönes flugfähiges Modell entstehen können. 

Bei einem feinen Apéro kamen wir dann ins Fachsimpeln über das weitere Vorgehen. Austuchen muss sein, das ist jetzt schon klar. Danach wird man weiter sehen. Der Erbauer hat das Modell bereits mit einer teilbaren Trageflächensteckung und Pendelhöhenleitwerk ausgerüstet. Da muss nur alles kontrolliert, und wenn nötig, in Stand gestellt werden.

So nahm ich das Modell dann voller Vorfreude nach Hause mit. Pilo 4 zu HauseHab noch am gleichen Abend vor lauter Ungeduld versucht den „Pylon“ von seiner Bespannung zu befreien. Siehe da, es geht besser als erwartet. Und die vermutete Papierbespannung stellte sich als leichte Seide heraus. Führt zur Überlegung, womit ich das Modell dann bespanne werde.

Bevor ich ernsthaft mit der Arbeit beginne hab ich noch die Einzelteile vom Modell gewogen:

Urzustand Gewichte

Bauteil

Gewicht kg

Rumpf ohne Pylon, ohne Höhenleitwerk, ohne Akku und Empfänger, mit 2 alten Servos, mit Bleigewichten

0,802

Pylon, ohne Steckung

0,100

Steckung Tragflächen mit Verbindungsfedern

0.026

Tragfläche links

0.232

Tragfläche rechts

0.227

Höhenleitwerk komplett mit Steckung

0.082

Empfänger

0.005

Empfgängerakku geschätzt

0.120

Gesamt

1.594

Austuchen

Vor kurzem reparierte ich eine älteres Modell, dass mit Folie bebügelt war. An der schadhaften Stelle musste die Folie entfernt werden. Dabei hat sich diese gleich grossflächig gespalten. Das heisst, Klebeschicht mit Farbe blieb auf dem Flügel, Kunststoffschicht der Folie löste sich ab. Also ganzen Flügel von Folie befreien. Was für eine Arbeit und Saue….. . Pylon gestriptHatte darum hier beim Pilot ähnliche Befürchtungen. Zu meiner Erleichterung löste sich die Seide aber ganz problemlos vom Sperrholz. Hier und da noch mit dem Skalpell die Resten der Seide vom Holz getrennt und schon lagen die Teile zur weiteren Bearbeitung auf dem Tisch.

Und weil’s so schön läuft gleich auch noch das Höhenleitwerk.Höhenleitwerk gestript

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Am nächsten Tag den Schwung vom Vorabend ausgenutzt und gleich das ganze Modell von seiner alten Hülle befreit.

Rumpf gestriptDer gestripte Rumpf. Das Seitenruder ist per Seilzüge angelenkt, diese sind komplett in Bowdenzughüllen geführt. Das Höhenruder wird per „normalen“ Bowdenzug angelenkt, fühlt sich aber sehr wabbelig an.

 

AusrüstungUnd hier noch eine Aufnahme von der Ausrüstung.

 

Seit wann gibt es diese Servos eigentlich? Der älteste Eintrag den ich gefunden habe, stammt aus 2002. Grenzt das Alter des Modells etwas ein. Der Erbauer hat die Servos im Rumpf eingebaut und danach das Modell bespannt, d. h. ohne die Bespannung aufzuschneiden wäre er nicht mehr an die Servos gekommen. Diese werde ich wohl ersetzen.

 

Tragfläche gestriptDie nackte Tragfläche. Man beachte die Verspannung der Rippen mit einem Baumwollfaden. Erfüllt die Aufgabe jetzt nicht mehr, der Faden ist völlig schlaff. Die Wurzelrippe ist durch den Zug der Bespannung völlig verzogen, sieht man hier auf dem Bild nicht so gut.

 

Wie weiter?

Für das weitere Vorgehen wollte ich von der grossen Erfahrung von Hans Dürst profitieren und hab mich von ihm beraten lassen.

Also erst Mal die Verzüge korrigieren soweit es geht. Danach das Gerippe für die Bespannung vorbereiten. Er hat mich überzeugt, das Modell mit Gewebe und Spannlack einzukleiden. Folie brächte nicht genug Torsionsfestigkeit. In der Tat war ich nach dem Austuchen überrascht, wie instabil Flügel und Rumpf ohne die Bespannung sind. Ich kannte bisher nur Kastenrümpfe und Flügel mit D-Boxen oder ähnlichem, die haben viel höhere Festigkeiten von der Konstruktion her.

Weiter bin ich am Überlegen, ob ich dem Modell Störklappen einbauen möchte. Grad beim Landen bin ich nicht der Weltmeister und wäre um jede Hilfe froh. Allerdings scheu ich das Mehrgewicht, würde wohl mit Klappen, Servos, Kabel und Einbaurahmen um ca. 0,15 kg mehr ausmachen. Und der Pilot 4 ist jetzt schon schwer.

Ich hab vor, die Flügel mit Gummis auf den Rumpf zu spannen. Da möchte ich für den „Pylon“ eine Führung bauen, damit die Flächen immer schön gerade auf dem Rumpf sitzen. Die Führung möchte ich so gestalten, dass die Flächen bei einen harten Landung trotzdem leicht ausscheren können.

 

Verzüge richten

Hab mit dem Höhenleitwerk angefangen. Gerichtet hab ich die Teile, indem ich sie auf einem Baubrett aufgespannt habe, die Verzüge durch Unterlegen von Keilen überkorrigiert und dann die Holzteile mit einem Folienbügeleisen und Geduld erwärmt. Temperatur auf ca. 140°C eingestellt. Nach mehreren Durchgängen waren die Teile recht gut gelungen und behielten die neue, korrigierte Form auch über Nacht.

Wurzelrippe vor dem RichtenWurzelrippe vor dem Richten

Wurzelrippe nach dem Richtenund nach dem Richten

Weiter mit den Wurzelrippen: die sind recht dick und da hab ich nicht alles korrigieren können, auch mit längerem Wärmen nicht. Aber bin trotzdem recht zufrieden. Es handelt sich ja um ein gebrauchtes Antikmodell. Da darf man das Alter schon sehen.

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Anpassungen

Hans hat mir auch geraten, die Torsionssteifigkeit vom Rumpf zu erhöhen. Rumpf mit DiagonalverstrebungenDas wäre nötig, da die ursprünglichen Modelle ja als Freiflieger konzipiert waren. Das Betätigen von Rudern mittels RC-Anlage war nicht vorgesehen. Es sollten also diagonale Streben im Rumpfgerüst eingebaut werden. Ich habe den Bereich von der Tragflächenauflage bis zum Beginn des Seitenleitwerks mit Kieferleisten ausgesteift. Die Torsionsfestigkeit hat dadurch merklich zugenommen, ohne aber die von Kastenrümpfen zu erreichen.

Griffbereich am Rumpf verstärktWeiter hat Hans vorgeschlagen, den Bereich zu verstärken, an dem man das Modell für den Abwurf greift. So kann fest zugepackt werden, ohne die Bespannung oder die Struktur zu beschädigen. Ich habe den Bereich mit Sperrholz aufgefüttert.

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Neue Bespannung

Mein ursprünglicher Plan war, das Modell konventionell mit Koverall und Spannlack neu zu bespannen. Dazu hab ich mir Klebe- und Spannlack besorgt. Als Übungsobjekt hab ich das Höhenleitwerk auserkoren.

Erst mal alle Kontaktflächen für das Gewebe mit Klebelack eingestrichen. Danach das Gewebe aufgelegt und versucht, mit Nitroverdünner das Gewebe mit den Kontaktflächen zu verkleben. Das Resultat war dürftig. Mir fehlt die Übung, und der Gestank passt mir auch nicht. Hab das Gewebe dann doch noch mit dem Bügeleisen gespannt. Beim ersten Anstrich mit dem Spannlack haben sich dann diverse Klebestellen gelöst. Frustriert hab ich aufgegeben und die ganze Bespannung wieder entfernt.

Im Netz hab ich recherchiert und eine anderen Methode gefunden, die vielversprechend aussah: Kontaktflächen mit Heisssiegellack einstreichen, Klebestellen mit Lack „isolieren“, Gewebe spannen, dann alles mit wasserverdünnbarem Parkettlack streichen. Diese Methode wollte ich anwenden.

Also alle Kontaktflächen 2 Mal mit dem Heisssiegelkleber von Oracover eingestrichen. Danach das Gewebe aufgelegt und punktuell mit dem Bügeleisen fixiert. Das schöne daran ist, dass unschöne Stellen wieder gelöst, in Ruhe gerichtet und wieder neu fixiert werden können. Mit dem Koverall können so fast faltenfreie, Bespannungen erzielt werden. Damit man das Gewebe schön spannen, und später auch sauber mit dem Skalpell besäumen kann, sollte das Gewebe grosszügig zugeschnitten werden. Jetzt alle Kontaktflächen mit dem Bügeleisen auf dem Gerippe fixieren. Danach sollten noch vor dem Spannen alle Klebeflächen mit dem Parkettlack „isoliert“ werden. Dabei können die Überstände vom Gewebe gleich noch mit dem Lack eingelassen werden. Das Besäumen gelingt dann einfacher und ohne dass das Gewebe ausfranst. Jetzt kann mit Wärme das Gewebe gespannt werden. Ich hab das mit dem Folienbügeleisen gemacht. Aus Neugier hab ich mal versucht das Gewebe ohne die vorgängige Isolation mit Parkettlack zu spannen. Resultat: viele Klebestellen haben sich gelöst. Durfte das Gewebe wieder abziehen und alles neu machen.

bespannter Flügel vor dem BesäumenSo sieht ein Flügel nach dem Bespannen, vor dem Besäumen und Lackieren aus.

 

Zum Schluss die ganze Bespannung 2 Mal mit Parkettlack versiegeln. Dabei mit eher trockenem Pinsel arbeiten. Wird zu nass gestrichen, können auf der Rückseite der Bespannung Tropfen entstehen, die sichtbar bleiben. Es muss erwähnt werden, dass die Bespannung nicht so trommelhart wird, wie mit dem althergebrachten Spannlack. Dafür, dass ich diese Arbeit das erste Mal ausführte, bin ich mit dem Resultat ganz zufrieden, nicht perfekt, aber ganz nett.

fertiger Flügel

 

Die linke Tragfläche hab ich detailliert gewogen:

  • Mit der alten Bespannung 0.232 kg.
  • Alte Bespannung entfernt, Heisssiegellack aufgetragen 0.191 kg
  • Neue Bespannung aufgespannt 0.210 kg
  • Mit 2 Schichten Parkettlack 0.222 kg

 

  • Höhenleitwerk komplett mit alter Bespannung: 0.082 kg.
  • Mit neuer Bespannung 0.093 kg.

Da hat der ursprüngliche Erbauer am genau richtigen Ort mit dem Gewicht „getrickst“ und/oder ich hab da nicht aufgepasst.

Möglicherweise wäre die Bespannung für solche relativ kleine Modelle noch leichter auszuführen wenn man Futterseide verwendet.

Gewichte nach Abschluss der Arbeiten

Bauteil

Gewicht kg

Rumpf ohne Pylon, ohne Höhenleitwerk, mit Akku und Empfänger, mit 2 neuen Servos, mit Bleigewichten

0.924

Pylon, ohne Steckung

0.108

Steckung Tragflächen mit Verbindungsfedern

0.026

Tragfläche links (mit Schriftzug)

0.226

Tragfläche rechts

0.223

Höhenleitwerk komplett mit Steckung

0.093

Empfänger

0.005

Empfgängerakku geschätzt 0.120 kg

0.120

Gesamt (gewogen)

1.600

 

Der Pilot ist recht schwer. Mal sehen, was das fürs Fliegen bedeutet. Ein Thermikschleicher wird das sicher nicht. Ein MPX Solius mit vergleichbarer Spannweite wiegt ca. 0.200 kg weniger und hat erst noch einen Antrieb an Bord.

Pilot 4 fertig restauriertUnd so sieht das Modell fertig aus, bereit für den zweiten „Erstflug“.

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Sender-Programmierung

Der Erbauer hat dem Modell noch eine Knacknuss eingebaut: Höhen- und Seitenruder kollidieren wenn man sie gleichzeitig betätigt. Das kann man wohl bewusst vermeiden beim Steuern, darauf wollte ich mich aber nicht verlassen. Der Neubau des Höhenleitwerkes wäre eine Möglichkeit gewesen, aber ich versuchte vom Modell soviel wie möglich zu erhalten. So entschloss ich mich, das Problem elektronisch in der Steuerung zu lösen.

Mir schwebte vor, den Ausschlag des Höhenruders je nach Ausschlag des Seitenruders zu begrenzen, um eine Kollision beider Ruder zu vermeiden. Hab mit meinem Spektrum-Sender herumgepröbelt, diverse Mischer auf alle möglichen Arten ausprobiert. Eine zufriedenstellende Lösung hab ich nicht gefunden.

Zum Wandern hab ich Modelle, die ich mit einer kleinen FrSky X-Lite steuere. Diese arbeitet mit der Software OpenTx. Mit dieser Software kann man alles lösen, selbst ganz vertrickte Sachen. Aber: man muss es selber programmieren. Hab da ziemlich Gehirnschmalz reingesteckt, bis ich begriffen habe, wie ich das lösen kann. War dann ganz einfach. Noch etwas probieren und anpassen und voilá: es tut wie es soll.

 

Erstflug

Der Erstflug nach der Restauration war ein Gleitflug auf einer flachen Wiese. Das Modell flog einwandfrei. Es zeigte sich, dass der Wurf recht kräftig sein muss. Dies ist wohl dem hohen Gewicht geschuldet. Das Modell reagiert recht träge auf Steuereingaben. Prompt traf ich das einzige holzige Gestrüpp auf der Wiese. Dabei ist eine Leiste am Rumpf gebrochen. Ich wollte an diesem Tag eigentlich noch „milde“ Hochstarts machen. Das lies ich dann bleiben. Erst will ich mich an das Modell gewöhnen, seine Eigenarten kennen lernen. Evtl. sind doch noch Einstellungen zu verändern. So warte ich auf einen schönen Tag zum Fliegen am Hang.

Inzwischen ist der Pilot 4 mehrmals am Hang geflogen. Ein Wiesenschleicher ist er nicht, dafür entschädigt er mit einem eleganten Flugbild.

 

Letztmals redigiert: 8.6.2024