IGA Hangflugtreffen auf dem Zugerberg vom 22. Juli 2023

Um 07.55 Uhr – fünf Minuten früher als abgemacht – ertönt die Haustürklingel. Beat Jäggi nimmt mich mit zum IGA-Hangflugtreffen auf den Zugerberg. Ich nahm seit Jahrzehnten nicht mehr an einem IGA-Hangflugtreffen teil und freue mich auf das Abenteuer. Ich bin sogar etwas nervös. Ist die Fernsteuerung geladen? Habe ich alle Flügelverbindungsstücke eingepackt? Man kann so viel vergessen.

Beim Wort «Zugerberg» kommt mir als Erstes eine Strafanstalt in den Sinn. Wie ich dem Internet entnehme, gab es auf dem Zugerberg tatsächlich eine militärische Strafanstalt, in welcher in den 1980er-Jahren zum Beispiel Sowjetsoldaten aus Afghanistan interniert waren.

Schnell sind meine beiden Modelle verladen und in fünf Viertelstunden sind wir am Ziel. Ich bin zum ersten Mal auf dem Zugerberg. In Anbetracht der nur ca. sieben Parkplätze (je nach Disziplin der Parkierenden) verstehe ich, warum der Anlass an einem Samstag stattfindet und warum man noch vor Thermikbeginn eintreffen sollte. Doch der freundliche Bauer, Daniel Weiss, lässt die später Eingetroffenen auf der Wiese vor dem Startplatz parkieren. Als erstes beeindruckt mich die fantastische Aussicht auf die Stadt Zug und den Zugersee. Auch das Fluggelände ist perfekt. Und das Wetter entwickelt sich besser als prognostiziert: Peter Widmer hatte als Organisator mit seinem Entscheid zur Durchführung eine gute Wahl getroffen. Gekommen sind die IGA-Mitglieder Robert Berg, Alfred Genther, Peter Hunn, Beat Jäggi, Walter Keller, Rolf Kessler, Daniel Steffen, Peter Widmer, Walter Wuhrmann, Hans Jörg Zöbeli und als Gast Christian Moser.

Schon bald setzt die erste Thermik ein, welche von Leichtwindseglern ausgekurbelt werden kann. Die Thermik wird uns den ganzen Tag begleiten, sodass es nicht weiter schlimm ist, dass der Wind ab und zu längs zum Hang weht.

Mein persönlicher Star des Tages ist das Graupner Modell Beginner (1964) von Walter Keller. Mit einer Spannweite von nur knapp einem Meter (offizielle beträgt die Spannweite 987 mm) fliegt das ferngesteuerte Freiflugmodell erstaunlich gut. Der Hersteller Graupner schrieb damals, dass die rassige Form des A1 Modells an die der grossen Segelflugzeuge erinnert und allein schon deshalb sehr modern anmutet.
Walti fliegt zudem mit zwei mir nicht bekannten Sperrholzvögeln, wovon einer sehr modern wirkt. Genaueres weiss auch er nicht.

Röbi Berg hat sein ferngesteuertes Freiflugmodell Kö C (1965) in Jedelsky-Bauweise mitgebracht. Bei einer Spannweite von 218 cm und einem Fluggewicht von 585 Gramm benötigt der Kö C (Kö steht für Werner Kölliker) nur wenig Aufwind, um oben zu bleiben. Einen interessanten Baubericht von Röbi Berg zu diesem A2 Modell findet man auf dieser Website.

Mit dabei ist ein kleiner Schwarm von Amigo-Modellen (von Peter Hunn, Peter Widmer und Daniel Steffen). Meiner Meinung nach zurecht, denn der Amigo war für Generationen von Modellfliegern ein bewährtes Einsteigermodell. Zu beachten gilt, dass der von mir geflogene Amigo 1 (1959/60) kleiner, leichter und filigraner ist als der bekanntere Amigo 2 (1965/66), welchen Peter Hunn mitgebracht hat. Mit den kleinen, leichten Fernsteuerungen von heute fliegt der Amigo 1 perfekt. So hat mein Exemplar ein Fluggewicht von nur 560 Gramm, wobei alleine der Ni-MH-Akku mit einer immensen Kapazität von 1'900 mAh einen Viertel des Gesamtgewichts ausmacht. Der grössere, robustere Amigo 2 wurde den RC-Anlagen der 1960er-Jahre gerechter. Peter Widmer fliegt einen Amigo 5, dessen Baukasten (made in China) Graupner 2017 als Hommage an den Amigo 2 auf den Markt brachte.

Das Anfängersegelflugmodell Hope Start (1970er-Jahre) von Beat Jäggi ist für dieses Treffen die richtige Wahl, denn aktuell macht die Nachricht die Runde, dass der Hope (Modellbaugeschäft in Schöftland) nach über fünfzig Jahren per Ende August 2023 definitiv schliesst. Für mich ein emotionaler Moment, bin ich doch als Jugendlicher Zigfach mit dem Velo von Oftringen über einen Pass (Striegel) nach Schöftland gestrampelt, um bei Hope Fernsteuerungen, Flugmodelle oder sonstiges Material zu kaufen. Hochuli Peter (HoPe) liess den Baukasten zum Hope Start extern in kleinen Stückzahlen zusammenstellen. Es ist offensichtlich, dass es sich beim Hope Start um eine Kopie des bekannten Standard Airfish handelt. Einzig die durchsichtige Kabinenhaube lässt den Experten erkennen, dass er keinen Standard Airfish vor sich hat.

An dieser Stelle darf ich meinen Brillant Vz (1975) erwähnen, den ich im Herbst 1976 als Bausatz bei Hope kaufte. Peter Hochuli war Schweizer Generalimporteur der von Manfred Derschug konstruieren und produzierten Brillant-Bausätze. Mein damaliger Kauf hat sich definitiv gelohnt, denn das agile Modell bereitet mir auch nach 46 Jahren noch Spass. Ich Deutschland wurde der Brillant als «Thermikwunder» bezeichnet. Wunder ist übertrieben, doch die Richtung stimmt – und der Brillant Vz enttäuscht mich auch auf dem Zugerberg nicht.

Beat Jäggi hat neben den Modellen Hope Start und Mosquito (1975) einen Algebra 1000 (späte 1980er-Jahre) mitgebracht. Ich kannte das Segelflugmodell Algebra von Dick Edmonds (Edmonds Model Products mit Sitz in High Wycombe, Grossbritannien) bisher nicht. Beat erklärt mir, dass es ab den frühen 1970ern bis in die 1990ern verschiedene Algebra-Varianten gab. In England waren diese Modelle in der Wettbewerbsszene sehr populär. Ich darf den Algebra 1000 von Beat in die Hände nehmen und stelle fest, dass man das Segelflugmodell aufgrund seines Bleistiftrumpfes von Hand gar nicht starten kann. Doch Beat – im Speerwurf vermutlich besser als ich - schafft es, indem er seinen Algebra hinter dem Flügel packt.

Die Zeit auf dem Zugerberg vergeht viel zu schnell, als dass ich mir über sämtliche im Einsatz stehenden Modelle einen Überblick verschaffen kann. Doch ist mir aufgefallen, dass Fredi Genthers Modell praktisch permanent in der Luft ist – teilweise unterstützt von einem Elektromotor. Trotz der vielen Modelle vor dem Hang kommt es glücklicherweise zu keiner Kollision. Zusammengestossen sind wir Gott sei Dank auch nicht mit den in der Nähe gestarteten Gleitschirmen. Zeitweise sind über zwanzig Stück gleichzeitig am Himmel zu sehen; einige fliegen sogar direkt über unseren Startplatz. Dank gegenseitigen Warnungen können wir die Gefahr jeweils umfliegen.

Müde und zufrieden packen wir ab 15.00 Uhr unsere Modelle zusammen und lassen den gelungenen Anlass im Restaurant Blasenberg ausklingen. Hier erzählt uns Peter Widmer seine spannenden Erlebnisse als Bootsfahrer am Zürifest 2023. Er durfte sich auf dem Wasser um die Drohnen-Operateure kümmern – und war somit an vorderster Front dabei. Peter, vielen Dank für die Organisation dieses tollen Anlasses.

Und Entschuldigung an die Besitzer aller Modelle, welche ich in diesem Bericht nicht erwähnt habe. Vielleicht ergibt sich eine andere Gelegenheit.

Daniel Steffen, 27. Juli 2023